Warum ist Landschaft schön?
Der Soziologe und Begründer der Promenadologie Lucius Burckhardt hat sich ein Leben lang mit dieser Frage beschäftigt und sie bildet auch die Grundlage für die nun vorliegende «Anthologie Landschaft». Nach beinahe vierzig Jahren im Archiv liegen neun umfangreiche Kapitel vor, die sich der Frage nach der Landschaft aus unterschiedlichen Blickwinkeln nähern. Das sorgfältig zusammengetragene und reichhaltige Material bildet in Kombination mit der Bildersammlung des Autors einen äusserst fruchtbaren Nährboden für die Beantwortung dieser zentralen Frage mit Blick auf je einen eigenständigen landschaftlichen Topos. Das wuchtige Werk umfasst knapp tausend Seiten und wird in Zukunft wohl auch als Thesaurus für all jene dienen, die sich mit raumwirksamen Tätigkeiten befassen, sei dies im Gartenbau, in der Architektur und Landschaftsarchitektur oder auch im Umweltschutz.
Burckhardt, Lucius: Anthologie Landschaft. Hrsg. von Thomas Kissling. Zürich: Lars Müller Publishers, case studio VOGT, 2023
Signatur: BfG Gb 85.534
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Bäumige Landschaftsgestaltung
Einst prägten Hochstamm-Obstbäume wie der Birnbaum das Landschaftsbild der Schweiz. Flächendeckend wurden sie auf dem Thurgauer Seerücken in klar definierten Reihen gepflanzt und beeindruckten durch ihre Wuchshöhe wie auch durch ihr ausladendes und ineinander greifendes Astwerk bereits aus der Ferne.
Das Landschaftsbild lichtete sich zwischen 1950 und 1970 drastisch als im Kanton Thurgau mehr als eine Million Hochstamm-Obstbäume wegrationalisiert und durch ökonomisch pflegeleichtere Niederstammkulturen ersetzt wurden. Heute findet man dort nur noch vereinzelte Hochstammbäume, die aus Nostalgie stehen gelassen wurden.
Die Fotografin Simone Kappeler hat 62 dieser letzten verbliebenen Hochstamm-Birnbäume auf dem Thurgauer Seerücken porträtiert und in ihrem schwarz-weiss Fotoessay dokumentiert.
Besonders bestechend dabei das Konzept der Bildbandgestaltung: Jedem einzelnen porträtierten Birnbaum ist eine Doppelseite gewidmet. Die rechte Bildseite zeigt jeweils das Bildobjekt, die linke Buchseite ist bewusst blanko gehalten und symbolisiert damit die durch den Kahlschlag entstandene «Lücke» in der ursprünglichen Anbauformation.
Lässt man diese dergestalt angelegte Bildserie beim Betrachten als Daumenkino durchlaufen, erweckt das den Eindruck von Verdichtung – so wie einstmals, als die Hochstamm-Birnbäume in dichten Reihen von 24 Metern Schrittlängen Abstand voneinander gesetzt waren – eine illustrierte Zeitreise mit der Illusion bäumig gestalteter Landschaft.
Kappeler, Simone: Der Birnbaum. Frauenfeld: Verlag Saatgut, 2022.
Signatur: BfG K 24.3832
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Grüne Experimentierfläche
Was für eine immense Bedeutung öffentliche und private Gärten haben, wurde wohl nicht wenigen Menschen erst während der Covid-Pandemie so richtig bewusst. Das Vitra Design Museum widmet sich in seiner aktuellen Ausstellung dem Garten und nähert sich ihm aus ganz verschiedenen und vielschichtigen Blickpunkten. Es werden manikürierte Rasenflächen ebenso unter die Lupe genommen wie die Liegestühle, Parkbänke, Unkrautbekämpfungsmittel und Mähroboter, die die grüne Fläche verschönern sollen. Welche politische Bedeutung von Gärten ausgehen kann und wie sie Ausdruck von gesellschaftlichen Idealen sein können, wird unter anderem anhand der Gartenstädte, der Anbauschlachten während des zweiten Weltkriegs und dem Guerilla-Gärtnern als Mittel zur Rückeroberung der Stadt ergründet. Ergänzt wird die faszinierende Lektüre mit einem Blick auf den Weltgarten, in dem wir uns alle befinden und der vor immensen Herausforderungen steht.
Und beim Besuch der Ausstellung nicht vergessen: Der Garten des niederländischen Landschaftsgärtners Piet Oudolf, der 2020 auf dem Vitra Campus angelegt worden ist und zu jeder Jahreszeit mit anderen Farben, Düften und Geräuschen lockt.
Garden Futures – designing with nature. Weil am Rhein: Vitra Design Museum, 2023. Signatur: BfG Gb 84.529
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